Forschung für Mensch und Umwelt

Nachhaltige Forschung – Forschung für nachhaltige zukünftige Produkte, das umfasst noch viele andere Bereiche des Wirtschaftens.
So können z. B. umweltfreundlichere Darreichungsformen von Düngematerialien für die Landwirtschaft helfen, Mikroplastik bei Düngemitteln zu vermeiden. Auch neue Hilfsmittel für die Lebensmittelproduktion können dazu beitragen, Ressourcen zum Beispiel bei der Herstellung von Backwaren zu sparen und umweltfreundlicher zu produzieren. Und sogar eine evidenzbasierte Kosmetikentwicklung, bei der die tatsächliche Wirkung von pflanzlichen Ölen auf Hautzellen untersucht wird, zahlt auf nachhaltigere Produkte ein. Spannende Beispiele dafür lesen Sie in den folgenden Projekten.

 

Nachhaltigkeit am Fraunhofer ISC

Beispiele aus der aktuellen Forschung

»BakeTex«: textile Backunterlage

Projekt BakeTex: textile Backunterlage
© Fraunhofer HTL

Textile Produkte sind leicht und flexibel: Das macht sie für immer mehr Anwendungen in der Industrie attraktiv. Auch in der Bäckereibranche wird das Potenzial erkannt: Textilien können hier helfen, Energie und Ressourcen zu sparen. Im Projekt BakeTex wird eine textile Backunterlage als Alternative zu herkömmlichen Backblechen entwickelt.

Das Ziel ist eine schadstofffreie, energiesparende und gleichzeitig durch Waschprozesse vielfach wiederverwendbare Backunterlage zum Einsatz in kommerziellen Bäckereien. Solche temperaturbeständigen, leichtgewichtigen Textilien bieten das Potenzial, durch eine schnelle Aufheizrate die Vorheiztemperatur im Backofen und somit den Energieverbrauch zu reduzieren.

Projekt BakeTex: Gewebe mit Waffelbindung
© Fraunhofer HTL
Gewebe mit Waffelbindung für Backversuche

Durch die Vermeidung von Backpapier und mögliche Energieeinsparungen entsteht ein ressourcenschonendes und nachhaltig wiederverwendbares Produkt, das eine Innovation innerhalb der Bäckereibranche ist und aufgrund des geringen Gewichts und der hohen Flexibilität für viele Bäckereibetriebe interessant ist.
Die textile Backunterlage ist faltbar und kann somit platzsparend gelagert werden. Für die Evaluierung des Einflusses auf Ware und Ofen werden Backversuche durchgeführt und der Temperaturverlauf gemessen. Zu Beginn wurden geeignete Fasermaterialien ermittelt und eine Webbindung entwickelt. Anschließend wurde an einer Beschichtung für die Backunterlage gearbeitet, mittels derer ein Anhaften der Backware vermieden werden kann. Im weiteren Verlauf ist die Entwicklung einer leichtgewichtigen Rahmenkonstruktion zum Aufspannen des Textils vorgesehen. Zu guter Letzt werden ein individuelles Branding der Backwaren sowie das Tracking der Ware im Backbetrieb mittels RFID-Chips oder QR-Codes an der Backunterlage angestrebt.

Untersuchungen zur Wirkung von Pflanzenölen am 3D-Hautmodell

Zusammenarbeit mit Kneipp GmbH, Würzburg

Wirkung von Pflanzenölen
© pexels

Zurück zum Ursprung: Pflanzliche Öle in der Naturkosmetik

Die Anfänge der Hautpflege reichen bis in die Antike zurück. Die alten Griechen nutzten die natürlichen Wirkstoffe von Pflanzenölen wie beispielsweise Olivenöl für die Pflege ihrer Haut. In der Moderne wurden pflanzliche Öle durch raffinierte Mineralöle ersetzt. Diese sind zwar kostengünstiger, belasten aber auch die Umwelt. In den vergangenen Jahren entwickelte sich ein gesellschaftliches Bewusstsein für Ressourcenschonung und Naturprodukte, das auch die Kosmetikindustrie erreichte: Es ist eine Rückbesinnung auf pflanzliche, natürliche Stoffe zu beobachten, die den Einsatz von raffinierten Mineralölen (wieder) eindämmt.

Pflanzenöle an Hautmodellen testen
© Fraunhofer ISC

Systematische Untersuchung natürlicher Öle

Es ist längst bekannt, dass die Verwendung von pflanzlichen Ölen einen positiven Einfluss auf die Haut haben kann. Dennoch gibt es bisher keine systematische Untersuchung, die die Wirkung von unterschiedlichen Naturölen darlegt. Das Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung arbeitet daher an einer systematischen Testung verschiedener natürlicher Öle, um deren Einfluss auf die Haut zu belegen und ihre Verwendung in der Kosmetikindustrie zu erleichtern.

Das Ziel des Projekts ist das Erstellen eines Steckbriefs für bis zu 100 natürliche Öle. Im Rahmen der Untersuchung werden diese auf ihre generelle, protektive und regenerative Wirkung getestet. Hierbei dienen In-vitro-Modelle der Haut als Grundlage der Testung: Mithilfe eines Baukastensystems können verschiedene Hauttypen nachgebaut werden, die sich in ihren Eigenschaften unterscheiden. Die In-vitro-Hautmodelle werden in Form von gesunder Haut und geschädigter Haut – im Sinne von kosmetischer Schädigung wie aggressivem Händewaschen o.ä. – herangezogen.
Die Öle werden auf die unterschiedlichen Hautmodelle appliziert und durch ein spezifisches Testverfahren auf ihre generelle, protektive und regenerative Wirkung analysiert.

Eine wichtige Erkenntnis zieht das Forschungsteam bereits nach der Testung von 13 Ölen: Es bestehen gravierende Unterschiede in den Wirkungen, die die Öle auf die Haut zeigen. Dabei nehmen natürliche Öle nicht nur positiven Einfluss auf die Haut, sondern können unter Umständen auch negative Wirkungen haben.

»HybridPEARLS«:
Funktionelle Verkapselung durch Mehrfachbeschichtung

Projekt HybridPEARLS: Funktionelle Verkapselung durch Mehrfachbeschichtung
© Fraunhofer ISC

Die Verschmutzung der Umwelt ist eines der großen, weltweiten Probleme unserer Zeit: Mikroplastik gelangt in die Böden und über Abwässer in die Ozeane. Die European Chemicals Agency definiert Mikroplastik als kleine Partikel, die beim Zerfall von Makroplastik entstehen, oder z. B. in Kosmetika und Agrochemikalien enthalten sind. Insbesondere Verkapselungen von Wirkstoffen, die in der Regel aus synthetischen Polymeren bestehen und in Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln oder Reinigungsprodukten vorkommen, zerfallen zu Mikroplastik und gelangen auf diese Weise in die Umwelt. Obwohl die Funktion der Verkapselungen sowohl im Alltag als auch in der Landwirtschaft und Industrie unverzichtbar ist, richten diese auf lange Sicht hohen Schaden an.  
 

bioORMOCER®e als Beschichtungsmaterial von Aktivstoffträgern

Das Fraunhofer IAP und das Fraunhofer ISC arbeiten daher an einer Lösung, die bisher verwendete Beschichtungen aus synthetischen Polymeren ersetzen soll. Maßgebende Anforderungen an das Material sind einerseits sehr gute Anwendungseigenschaften in Bezug auf chemische wie thermische Stabilität, Barriereeigenschaften und Lagerstabilität, andererseits vollständige Abbaubarkeit unter natürlichen Umweltbedingungen. Die Suche nach einem Material, das beide Anforderungen erfüllt, richtet den Fokus auf ein funktionelles Barriere-Beschichtungsmaterial des Fraunhofer ISC: die Materialklasse der bioORMOCER®e.

Das Projekt »HybridPearls« hat das Ziel, eine funktionelle Verkapselung durch Mehrfachbeschichtung zu etablieren, die verbesserte Anwendungseigenschaften gegenüber dem aktuellen Stand der Technik und vollständige Abbaubarkeit aufweisen. Der Aufbau soll sich an kommerziell eingesetzten Verkapselungstechniken orientieren, die bereits für die Herstellung von Verpackungsmaterialien verwendet werden. Mikrokapseln dieser Art bestehen letztendlich aus drei Komponenten: (1) dem Wirkstoffkern, (2) dem bioabbaubaren Kapselmaterial und (3) der funktionellen, bioabbaubaren Barriereschicht – den bioORMOCER®en.

Das Fraunhofer ISC übernimmt im ersten Teilprojekt eine Reihe von Forschungsschwerpunkten, die sich auf die bioORMOCER®e und die Coating-Prozesse beziehen. Eine wichtige Anforderung an die bioORMOCER®e besteht in der Anpassung an verschiedene Anwendungsbereiche. Die Entwicklung von maßgeschneiderten bioORMOCER®en soll ein Baukastensystem ermöglichen, das Variabilität – z. B. hinsichtlich der verkapselten Materialien und ihrem kontrollierten Abbau – und vielseitige Einsetzbarkeit in unterschiedlichsten Bereichen der Landwirtschaft, Industrie etc. verspricht. Für eine erfolgreiche Herstellung der Kapseln ist es außerdem notwendig, die Aktivstoffträger und auch die Produktionsverfahren wechselseitig aufeinander abzustimmen.

Homogene Beschichtungen, geringer Schichtauftrag wie auch Schichtabrieb sind wesentliche Kriterien der Herstellungsprozesse. Aus diesem Grund werden im Projekt »HybridPearls« geeignete Beschichtungstechnologien entwickelt und getestet.
Nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Industrie sind bioabbaubare Mikrokapseln zukunftsweisend. Mit »HybridPearls« bieten das Fraunhofer IAP und das Fraunhofer ISC einen innovativen und umweltfreundlichen Lösungsansatz für den Ersatz von herkömmlichen Beschichtungen.

»Safe Vulca«: Effizienzsteigerung bei der Kautschukvulkanisation

Projekt Safe Vulca: Kautschukvulkanisation
© pixabay

Die Vulkanisation ist ein wichtiger Prozess in der Reifenherstellung, bei dem Kautschuk in ein Elastomer überführt wird. ZnO, der derzeit effizienteste Vulkanisationsaktivator, wird hier zur Verbesserung und Kontrolle der Reaktionsgeschwindigkeit eingesetzt. Allerdings birgt ZnO potenzielle Umweltrisiken, die nicht zu vernachlässigen sind: Nach Angaben der Environmental Protection Agency (EPA) der USA können Zinkionen über verschiedene Mechanismen aus Zinkoxid freigesetzt werden, und es ist davon auszugehen, dass Zinkionen für Wasserorganismen toxisch sind. Daher ist die Verringerung des ZnO-Gehalts in Elastomeren insbesondere bei der Reifenherstellung eine globale Herausforderung. Darüber hinaus erschweren große Mengen von ZnO auch das Recycling von Altreifen.

Das von EIT RawMaterials geförderte Projekt »Safe-Vulca« zielt darauf ab, die Menge des herkömmlich verwendeten mikrokristallinen ZnO-Aktivators zu reduzieren und gleichzeitig die Effizienz des Vernetzungsprozesses zu verbessern, indem ZnO durch einen neuartigen bifunktionalen Füllstoff ZnO-NP@SiO2-NP ersetzt wird.

Die Idee dabei ist, amorphe ZnO-Nanopartikel auf der Oberfläche der Silica-Verstärkerfüllstoffe zu verankern und damit eine homogenere Verteilung in der Kautschukmatrix im Vergleich zu mikrokristallinem ZnO zu erreichen. Dies führt zu einer Zunahme der Reaktivität und damit verbunden zu einer Effizienzsteigerung bei der Kautschukvulkanisation. Der bifunktionale Füllstoff wird über ein leicht skalierbares und umweltfreundliches Sol-Gel-Verfahren hergestellt, das bereits für die erfolgreiche Herstellung von Elastomerverbundwerkstoffen mit hoher mechanischer Leistung mit ZnO-NP@SiO2-NP in herkömmlichen Reifen validiert wurde.

Die Substitution des kristallinen ZnO-Aktivators durch ZnO-NP@SiO2-NP führt zu einer bemerkenswerten Vulkanisationseffizienz, da die verteilten Zinkzentren während der Vulkanisation mit den Vulkanisationsmitteln in der Kautschukmatrix reagieren können. Dies ermöglicht eine Verringerung der herkömmlichen ZnO-Menge um etwa 50 % und die Herstellung von Gummiverbundstoffen für Reifenanwendungen mit bis zu 10 % besseren Vulkanisations- und mechanischen Eigenschaften als mit dem herkömmlichen Aktivator.

Die Gruppe »Partikeltechnologie« des Fraunhofer ISC war verantwortlich für das Hochskalieren der nasschemischen Synthese und die begleitende Charakterisierung zur Qualitätssicherung. So konnte im Projekt »Save-Vulca« der entscheidende Schritt vom Gramm- zum Kilogramm-Maßstab bei der Herstellung des bifunktionalen Füllstoffs bewältigt werden. Besonders wichtig für eine kostengünstige und umweltfreundliche Produktion in größerem Maßstab ist dabei die Umstellung der Syntheseroute von einem ethanolbasierten auf ein wasserbasiertes System. Das ISC-Team ermöglichte diese Umstellung dank seines umfassenden Synthese-Knowhows. Dabei konnte auch die Syntheseausbeute gesteigert und das Skalierungspotenzial insgesamt verbessert werden.