Ausgezeichnet: DFG-Tierschutzpreis für das Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien

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In-vitro Tumor
© Fraunhofer ISC
In-vitro 3D-Hautmodell mit Tumorzellen
DFG-Tierschutzpreis Forschungsteam TLZ
© Fraunhofer ISC
Das erfolgreiche Forschungsteam (Von links: Sarah Nietzer, Gudrun Dandekar, Daniela Zdzieblo, Antje Appelt-Menzel, Florian Groeber-Becker, Christian Lotz, Maria Steinke, Marco Metzger)

Die diesjährigen Preisträger des Ursula M. Händel Tierschutzpreises der Deutschen Forschungsgemeinschaft stehen fest. Wie die DFG nun bekannt gegeben hat, wird das Team des Fraunhofer-Translationszentrums für Regenerative Therapien (TLZ-RT) und der Universität Würzburg für seine Forschung an Alternativen zum Tierversuch auf Basis von zellbasierten Gewebemodellen ausgezeichnet und teilt sich den mit 80 000 Euro dotierten Preis mit Dr. Michael K. Melzer von der Universität Ulm.

 

Ein großer Erfolg für das interdisziplinäre Würzburger Forschungsteam: Seit mehr als zehn Jahren arbeiten Wissenschaftler*innen des Fraunhofer TLZ-RT – seit 2017 angegliedert an das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC – und des partnerschaftlich verbundenen Lehrstuhls für Tissue Engineering und Regenerative Medizin TERM am Universitätsklinikum Würzburg an sogenannten In-vitro-Modellen von Barriereorganen des menschlichen Körpers – der Haut, der Augenhornhaut, des Darms, der Blut-Hirn-Schranke und der Atemwege. Barriereorgane »bewachen« den Zugang zum menschlichen Körper und sorgen dafür, dass möglichst wenige schädliche Einflüsse aus der Umwelt – Krankheitserreger, Schadstoffe, Kälte, Wärme etc. – direkte Wirkung im Körper entfalten können, sie haben also eine ganz wesentliche Rolle für die menschliche Gesundheit. Deshalb kommen sie auch regelmäßig ins Spiel, wenn es um die Einstufung von Chemikalien als harmlos, reizend, gesundheitsschädlich oder gar krebserregend geht. Auch neue Arzneimittel müssen mehrere präklinische Studien durchlaufen, bevor sie in die klinische Prüfung gehen können.

 

Schädlich oder nützlich? Wie Substanzen geprüft werden

Tests zur Vorhersage von Toxizität, Wirkstoffabgabe und Wirksamkeit werden in der Regel im Tierversuch durchgeführt. Viele Arzneimittel scheitern jedoch anschließend in den klinischen Studien aufgrund schlechter Bioverfügbarkeit und unspezifischer Ausrichtung, weil Tierversuche nur bedingt aussagekräftig für den menschlichen Körper sind. Dafür bessere Alternativen zu finden, das ist der Motor für das Würzburger Team und seine Forschung an In-vitro-Modellen. Sie folgen damit dem »3R-Prinzip« das bereits im Jahr 1959 erstmals formuliert wurde: Tierversuche möglichst vollständig vermeiden (»Replacement«), die Zahl der Tiere reduzieren (»Reduction«) und ihr Leiden auf das unerlässliche Maß zu beschränken (»Refinement«).

 

In-vitro-Modelle – Reagenzglas statt Tierversuch

Für die Modelle werden von den Forschenden in Würzburg Zellen außerhalb des Körpers »im Reagenzglas« (»in vitro«) auf geeigneten Trägersubstanzen kultiviert. Sie bilden dabei dreidimensionale funktionelle Modelle des jeweiligen Barriereorgans, die den tatsächlichen Aufbau des Organs im Körper sehr präzise nachstellen. »An diesen Modellen lassen sich beispielsweise chemische und pharmazeutische Substanzen hinsichtlich ihres Schädigungspotenzials oder ihrer Wirksamkeit testen, oder auch Infektionsvorgänge durch Bakterien oder Viren und deren mögliche Behandlung. Selbst die Entwicklung von Tumoren kann an solchen Gewebemodellen analysiert und Behandlungsmethoden untersucht werden,« so Dr. habil. Marco Metzger, Leiter des Fraunhofer-Translationszentrums. Da hierfür auch menschliche Zellen eingesetzt werden können, lässt sich in diesen Modellsystemen eine sehr gute Übereinstimmung mit den Vorgängen im menschlichen Körper und damit eine hohe Prognosegenauigkeit erreichen.

 

Einzigartiges Spektrum ausgezeichnet

»Die langjährige Zusammenarbeit zwischen dem anwendungsorientierten Fraunhofer TLZ-RT, der Materialforschung am Fraunhofer ISC und den Forschungspartnern an der Universität und dem Universitätsklinikum Würzburg hat ein ideales Umfeld für die Entwicklung und Anwendung von Alternativmethoden zum Tierversuch geschaffen,« ergänzt Prof. Dr. Gerhard Sextl, Leiter des Fraunhofer ISC. Der Fokus liegt dabei sowohl auf der grundlagenwissenschaftlichen Erforschung regenerativer Gewebeprozesse, die für den Bau komplexer Modelle notwendig sind, als auch auf der industriellen Anwendung der Modelle. Das Translationszentrum deckt mit sechs verschiedenen Barrieremodellen und den damit verbundenen Krankheiten ein breites Spektrum ab – in dieser Art einzigartig für eine Forschungseinrichtung und eine Keimzelle für den weiteren Einsatz von 3R-Methoden. So ist geplant, mit der »Würzburg Initiative 3R (WI3R)« das Netzwerk auszuweiten und möglichst viele Forschungseinrichtungen in das 3R-Konzept einzubinden.

Dies würdigt auch die DFG in Ihrer Preisentscheidung: »Die Würzburg Initiative 3R (WI3R) hatte für ihre Bewerbung die Entwicklung und Anwendung von sechs In-vitro-Modellen der Barriereorgane Haut, Kornea, Darm, Blut-Hirn-Schranke und Lunge sowie für solide Tumoren vorgestellt, die dem »Replacement« des 3R-Konzeptes dienen. Die Modelle finden beispielsweise in der Infektions- und Krebsforschung sowie bei der Testung von Kosmetika, Nahrungsergänzungsmitteln und medizinischen Produkten wie Medikamenten oder Impfungen bereits jetzt eine breite Anwendung. Mit dem Preisgeld will das Team ein 3R-Netzwerk etablieren, wissenschaftliche Treffen initiieren sowie kleine Projekte fördern.«

 

Preisverleihung am 13. Oktober

Der Preisträger und die Preisträgergruppe wurden unter zwölf Bewerberinnen und Bewerbern ausgewählt. Die Preisverleihung ist für den 13. Oktober im Rahmen eines von der Universität Münster organisierten Tierschutztages geplant.

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