Mit „schlauem Rost“ Materie zum Sprechen bringen –
Europäische Exzellenzförderung für Wissenschaftler des Fraunhofer ISC

Presseinformation /

Eigentlich sind Materialien „stumm“. Temperatur, Feuchte, chemische Einflüsse oder mechanischer Stress hinterlassen zwar ihre Spuren und wirken sich auf ihre Festigkeit und Lebensdauer aus, doch über ihre Nutzungshistorie können sie kaum etwas berichten. Mehr über die Historie solcher Einflüsse zu wissen, könnte also entscheidend zur Produktqualität beitragen. Doch bisher gibt es noch keinen Lösungsansatz dafür, Materie über ihre Historie zum Sprechen zu bringen. Das Forschungsvorhaben »SmartRust« soll das nun ändern. 
 

Der European Research Council (ERC) ist eine Körperschaft der Europäischen Union, die exzellente wissenschaftliche Vorhaben von herausragenden Forscherpersönlichkeiten fördert. Vom ERC wurde nun ein Wissenschaftler mit einem ERC Consolidator Grant für ein Forschungsvorhaben ausgezeichnet, das genau das schaffen will: Objekte in Materie zu verwandeln, die Umgebungseinflüsse wahrnehmen und mitteilen kann. Karl Mandel, Professor für Anorganische Chemie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und Leiter der Gruppe Partikeltechnologie am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in Würzburg ist überzeugt: „Wenn Materialien in die Lage versetzt werden, über ihre Geschichte zu berichten, wird dies wesentlich dazu beitragen, die Produktsicherheit und -zuverlässigkeit zu gewährleisten, eine vorausschauende Wartung zu ermöglichen, komplexe Recycling-Zustände von Materialien transparent zu machen und eine autonome, robotergesteuerte, widerstandsfähige Fertigung zu ermöglichen.“

Prof. Dr. Mandel will diese Idee mit intelligenten magnetischen Partikeln erreichen, die größtenteils auf Eisenoxid basieren, daher die bildhafte Projektbezeichnung »SmartRust« – schlauer Rost. Mikrometergroße Suprapartikel werden dafür aus magnetischen Nanobausteinen, den "Signalwandlern", zusammengesetzt, die mit anderen, nichtmagnetischen Bestandteilen, den "Sensibilisatoren", kombiniert werden. Ein werkzeugkastenähnlicher Ansatz ermöglicht die Zusammenstellung von Nanopartikeln aus Signalwandlern und Sensibilisatoren ganz nach Wunsch. Die individuell angepassten SmartRust-Partikel werden dann in die Materialien integriert, die „zum Sprechen“ gebracht werden sollen.

»SmartRust« betritt damit echtes Neuland in der Forschung, wie Mandel betont. „Wir vermuten, dass es ein Zusammenspiel zweier magnetischer Wechselwirkungsprinzipien gibt.“ Danach verändert auf einer hierarchischen Ebene I ein auslösendes Ereignis die magnetischen Wechselwirkungen zwischen den Nanopartikeln innerhalb der einzelnen Suprapartikel. Auf einer hierarchischen Ebene II verändert ein auslösendes Ereignis die magnetischen Wechselwirkungen zwischen den Suprapartikeln, wenn die Matrix der Materialien verändert wird, in die diese Suprapartikel eingebettet sind. „Die Idee ist, dass diese magnetische Wechselwirkungsinformation schnell, einfach, zerstörungsfrei und aus dem Inneren eines Materials heraus ausgelesen werden kann.“ An den wissenschaftlichen Grundlagen und der technischen Umsetzung kann mit der Förderung durch den ERC nun ein interdisziplinäres Team aus den Arbeitsgruppen von Prof. Mandel an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen und am Fraunhofer ISC in Würzburg arbeiten.

„Wenn es gelingt, eine aussagekräftige Signal-Struktur-Trigger-Korrelation zu erhalten, könnten letztlich Konstruktionsregeln abgeleitet werden, wie man mit »SmartRust« wahrnehmende Materie schaffen kann“, ist sich Mandel sicher.

 

Partikeltechnologie am Fraunhofer ISC

 

ERC consolidator grant 2023

 

Zur Person

Prof. Dr. Karl Mandel
© FAU/Georg Pöhlein

Karl Mandel ist seit 2014 Leiter der Gruppe Partikeltechnologie am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg, Deutschland und seit 2020 Professor für Anorganische Chemie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er hat an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg bei Prof. Dr. Gerhard Sextl, Inhaber des Lehrstuhls für Chemische Technologie der Materialsynthese, in Chemie promoviert (Abschluss: 2013). Prof. Dr. Mandels Spezialgebiet ist die Herstellung von Suprapartikeln – meist durch Sprühtrocknung – um neue und unerwartete Eigenschaften zu finden und sie als intelligente Objekte einzusetzen, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Bis heute hat er etwa 100 Publikationen veröffentlicht.

 

 

 

Der ERC Consolidator Grant

Europäischer Forschungsrat ERC
© ERC

Der Europäische Forschungsrat (ERC), der 2007 von der Europäischen Union gegründet wurde, ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Er fördert kreative Forscher aller Nationalitäten und jeden Alters, die Projekte in ganz Europa durchführen. Der ERC bietet vier zentrale Förderprogramme an: Starting Grants, Consolidator Grants, Advanced Grants und Synergy Grants. Für die diesjährigen Consolidator Grants wurden aus 2.130 Bewerbern 308 Forscher ausgewählt. „Die neuen Gewinner der Consolidator Grants repräsentieren einige der besten europäischen Forscher“, so die Präsidentin des ERC, Prof. Maria Leptin.

Mit den Fördermitteln des Consolidator Grants werden exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Karrierestufe unterstützt, in der sie dabei sind, ihre eigenen unabhängigen Forschungsteams zu konsolidieren, um ihre vielversprechendsten wissenschaftlichen Ideen zu verfolgen. Die mit insgesamt 627 Millionen Euro dotierten Zuschüsse sind Teil des EU-Programms Horizon Europe.

Letzte Änderung: