Vortragsreihe "Bronnbacher Gespräche"  /  15. Februar 2016

Diesjähriger Start der Bronnbacher Vortragsreihe mit »Farbigkeit in der Architektur«

Am ersten Vortragsabend in diesem Jahr im Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Bronnbach, der traditionell mit dem Historischen Verein Wertheim zusammen veranstaltet wird, sprach Jörg Paczkowski, Leiter des Grafschaftsmuseums in Wertheim, vor zahlreichen Zuhörern über das Thema »Farbigkeit in der Architektur«, das besonders in einer historischen Stadt wie Wertheim hochaktuell ist.

Immer wieder wird bei Restaurierungen die Frage aufgeworfen, in welcher Farbe das Gebäude »gefasst« wird. Da Restauratoren häufig mehrere Farbschichten finden, bleibt die Frage, ob historische Befunde ausschlaggebend sein sollen und wenn ja, welche? Genau dieser Problematik ging Paczkowski in seinem Vortrag auf den Grund.

Farbe habe immer eine Wirkung auf Sinne, Gefühle und Empfindungen. Bestimmte Farbgebungen zum Beispiel unterstreichen Kontraste am Bau, so Paczkowski. Eine Bemalung kann dem Haus eine besondere Bedeutung geben und gliedert auch die Fassade. Durch Farbgebung können Ensembles zusammengefügt, Einzelbauten hervorgehoben oder charakteristische Orts- bzw. Stadtbilder geschaffen werden. »Der Farbdesigner Peter Zoernack hat es einmal so formuliert: ›Farbe sollte die architektonische Form ergründen und ihr dann möglichst mehrfarbig folgen‹«, meint Paczkowski.

Farbe spielte in der Architektur von der Antike bis zur Neuzeit immer eine Rolle. Obwohl der Archäologe Johann Winckelmann noch im 18. Jahrhundert die Theorie von der »Weißen Antike« aufstellte, weiß man spätestens seit den intensiven Ausgrabungen in Pompeji, dass auch antike Gebäude farbig gefasst waren, dennoch hat der Klassizismus eine weiße Fassung bei seinen Bauten bevorzugt.

»Romanische Kirchen waren nicht naturbelassen, sondern ebenfalls farbig gefasst« – Paczkowski zeigte dies an der Restaurierung des Limburger Doms, bei dem erst wieder durch die Farben Weiß und Rot die architektonische Formensprache deutlich wird. Auch gotische Kathedralen waren farbig, denn im Mittelalter galt ein Bau erst durch die sogenannte farbige Fassung als vollendet. Allerdings ist durch Witterungseinflüsse oft die äußere Farbigkeit verloren gegangen.

In der Renaissancezeit wurde ein ganz besonderes Dekorationssystem entwickelt z. B. durch sogenannte Sgrafitti, durch Quadermalerei, durch farbig abgesetzten Streifenputz oder aufgemalte Architekturen. Historische Ansichten des Klosters Ebrach aus dem 17. Jahrhundert zeigen farbige Fachwerkhäuser. Dabei stehen graue neben gelben und roten Fachwerkfassaden. Die Farbigkeit unterlag dem Geschmack des Bauherren bzw. der Farbmode der Epoche. »Im Barock kann man einen ›Verlust an Buntheit‹ feststellen. Nun dominiert Gelb und Weiß«, führte Paczkowski weiter aus.

Zahlreiche Beispiele der Farbigkeit im 16. und frühen 17. Jahrhundert zeigte der Vortragende dem Auditorium. »Besonders im Weserraum, wo es eine eigene Renaissancearchitektur gibt, war man bei Rekonstruktion der farbigen Gestaltung von Portalen und Architekturteilen besonders mutig und hat diese schon früh wiederhergestellt.« Die Architektur des 19. Jahrhunderts hat häufig Stein- und Ziegelmaterial bevorzugt. Man übernahm die naturgegebene Farbigkeit. Bis ins 18. Jahrhundert war der Stein immer nur Träger der Form gewesen, d. h. er war meist überstrichen, wenn schon nicht bunt, dann in seiner eigenen Farbe. Massivbauten mit Bruchsteinflächen waren immer überputzt und hatten grundsätzlich farbige Fassungen, sowohl einfarbig als auch vielfarbig. Ecksteine, wenn sie nicht regel- und gleichmäßig gesetzt waren, wurden überputzt. Heute lässt man diese Steine oft sichtbar, sodass eine starke farbliche und gestalterische Unruhe am Bau entsteht, z. B. am Erdgeschoss des Stiftskirchenturms oder an der Kilianskapelle. Ein gravierendes Beispiel für heutige Sehgewohnheiten sei die Würzburger Residenz, so Paczkowski. »Man ist heute gewohnt, sie in der graugelben Farbe des Sandsteins zu sehen. Auch sie war ursprünglich nicht steinsichtig sondern farbig gefasst.«

Paczkowski beendete seinen Vortrag mit einem interessanten Wertheimer Beispiel für Farbigkeit. Erich Langguth hat in den Jahresrechnungen der Stadt Wertheim 1574 Angaben zum Engelsbrunnen gefunden. In seinem Buch heißt es: Der Wertheimer Maler Christoph Usleber, genannt »Stoffel der Maler« durfte sieben Gulden vereinnahmen von »disem Brunnen zu molen, mitsambt dem Goldt, Silber undt Farb.«

Die Graphikerin Margitta DeLonge hatte auf Wunsch von Jörg Paczkowski für eine Montage eine Ansicht des farbigen Brunnens angefertigt. Dieser Versuch konnte keine Rekonstruktion sein, sondern sollte lediglich auf das farbige Phänomen aufmerksam machen. Sie könnte auch dazu dienen, die Sehgewohnheiten unserer Zeit zu überprüfen. Andreas Diegeler, Leiter der Außenstelle des Fraunhofer ISC, bedankte sich abschließend für den Vortrag, der auch dazu angeregt hätte, genauer hinzusehen und die eigene Umgebung intensiver wahrzunehmen.